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Von Elisabeth Frenz und Michael Hopp

Wer die IFFA besucht, und wir haben es drei Tage lang getan, ist zuerst einmal von der Menge ganz unterschiedlicher Eindrücke überwältigt. Erlebt eine rasante Zeitreise von analogen, physikalischen Maschinen hin zu digitaler Technik, die stumm ihren Dienst tut und nur an den exakten Bewegungen der Roboter-Greifarme sichtbar wird, die sich mit supersensorischen „Vacuum Tube Lifters“ Koteletts schnappen und unversehrt in den Blister befördern. Oder testet neugierig futuristische Gerichte auf Grundlage alternativer Proteine – und bewundert die Einreichungen bei den traditionellen Fleischerhandwerks-Wettbewerben und stellt fest, welch unwiderstehliche Anziehungskraft ein mit Zeit und Hingabe hergestellter Schinken unverändert ausübt.
Dazu dieses „We Are the World“-Gefühl … Im Nachhinein erfahren wir, dass Menschen aus 144 Ländern zur IFFA gekommen sind. Und mit ihnen die alle Nationalitäten vereinende Begeisterung für alles, was neu ist und eine Weiterentwicklung des Geschäfts verspricht. Und noch etwas liegt in der Luft der fünf großen Ausstellungsareale, die in Frankfurt bespielt wurden: der Glaube an die zukunftsgestaltende Kraft, die entsteht, wenn Tradition und Innovation zueinander finden.
Noch nie war Ernährung so hoch entwickelt wie heute

Sind wir hier auf einer Lebensmittel-Messe? Oder auf einer Technologie-Schau? Das fragen wir uns am Anfang unseres Besuchs, am zweiten Tag schon nicht mehr. Denn dann ist ein schlüssiges Bild entstanden, wie untrennbar beides verbunden ist, wenn wir das Thema Ernährung in die Zukunft denken – in eine Zukunft, die von neuen Bedürfnissen, den Bedingungen des Klimawandels und der schnell wachsenden Weltbevölkerung geprägt ist.
Seit der Mensch auf der Erde ist, muss er sich ernähren – aber noch nie war Ernährung so hoch entwickelt wie heute, steckten so viel Know-how und Wissen darin, führte Jahrtausende alte Erfahrung in Verbindung mit allerneuster Technologie zu einem derart massiven Schub an Innovation, wie er heute mit einer Flut neuer Produkte und Ernährungsperspektiven beim Verbraucher ankommt. Sei es bei der Herstellung und Qualitätssicherung konventioneller Fleischprodukte oder der Neukreation von Gerichten, Texturen und Geschmäckern im Bereich der alternativen Proteine – es wird neu gedacht und nachhaltige Strategien bestimmen das Handeln. Das ist der prägendste Eindruck, den die IFFA auf uns gemacht hat – und der wird bleiben.

Über 1.000 Hersteller mit ihren Angeboten zeigen in Frankfurt eindrücklich, wie kleinteilig die Herstellungs- und Verwertungskette ist und wie sehr alle Faktoren zusammenspielen müssen, damit das Angebot an Lebensmitteln preiswert sowie in ausreichender Menge in die Läden kommt, aber auch den hohen und teils widerstrebenden Ansprüchen neuer Generationen von Verbrauchern entspricht. Ernährung soll convenient sein, abwechslungsreich und innovativ, sicher und gesund, preisgünstig – und der zunehmenden ökologischen Wachsamkeit genügen, die kritisch nach der Klimabilanz bei der Herstellung fragt.
„Flexitarier“ sind die am schnellsten wachsende Konsumentengruppe

Nach Studien bilden, wie auf den Bühnen der IFFA zu hören war, „Flexitarier“ den am schnellsten wachsenden Anteil unter den Ernährungstypen: Menschen, die einen individuellen und bewussten Mix aus pflanzlicher und tierischer Ernährung wählen – eine Haltung, die auf der IFFA jede Menge Bestätigung findet. Die Leitmesse für „Technology for Meat and Alternative Proteins“ zeigt, dass auch die Maschinen „beides“ können: Sieht man von den unmittelbar Fleisch verarbeitenden Technologien ab, unterscheiden sich in der weiteren Prozesskette die Maschinen zur Verarbeitung tierischer und alternativer Produkte viel weniger, als wir zunächst gedacht hätten – was es für die großen Hersteller verlockend macht, zweigleisig zu fahren. Ihre Erfahrung mit Vertrieb und Vermarktung kommt somit auch dem Angebot an fleischlosen Produkten zugute und den Verbrauchern wird das Abwechseln oder Umsteigen leicht gemacht.
Auch bei der Automatisierung, beim Einsatz von prozesssteuernder Software oder KI, bei der Qualitätskontrolle und der Verpackung können ähnliche oder gleiche Wege gegangen werden – und jeder Hersteller hat die Chance, mit neuer Technologie erhebliche Effizienzgewinne und eine bessere Klimabilanz zu erzielen. Kleinere operieren mit viel Kreativität oder regionaler Einbindung, viele beziehen sich auf Ideen der Kreislaufwirtschaft, jener ureigenen Qualität des Landwirtschaftens, die unter neuen Vorzeichen ein Comeback erlebt. An allen IFFA-Ständen von Herstellern, die wir besucht haben, ob klassisch oder alternativ, wurden Konzepte zur Senkung des Ressourcenverbrauchs präsentiert – vom leichten, algenbasierten Material der Verpackung bis zur Reduzierung von Dampf bei der Snack-Verarbeitung.
Technologische Kontrolle über die Ernährung, freie Wahl der Proteinquellen

Wir stehen am Beginn eines neuen Zeitalters der Ernährung, erfahren wir im Vortragspanel eines internationalen Marktforschers, dem Zeitalter der „Choice Explosion“ – ein stellenweise noch futuristisch anmutendes Szenario, in dem der Mensch die technologische Kontrolle über die Ernährung erlangt und sie jederzeit an vielfältige, wechselnde Bedürfnisse, aber auch veränderte klimatische Bedingungen anpassen kann.
Alternative Proteine, die aus unempfindlichen, kostengünstigeren Rohstoffen wie Soja, Reis oder Weizen gewonnen werden, haben die Abhängigkeit von kohlenstoffintensiven tierischen Varianten reduziert. Der weltweite Wechsel hin zu Geflügelfleisch verbessert die Klimabilanz des Fleischkonsums, weil ein Huhn zur Fleischproduktion nur ein paar Wochen auf der Welt ist, Schwein und Rind dagegen Monate bzw. Jahre. Das Huhn wiederum bietet mit seiner Fleischqualität und seinen vielen neuen Zubereitungsarten einen gleitenden Übergang zu den alternativen Proteinen. „Plant-based chicken“ macht geschmacklich nach dem Biss jeden Unterschied vergessen, wovon wir uns auf der IFFA gleich mehrfach überzeugen konnten. Am Ende hat der Verbraucher die Wahl.

Plant-based, fermented oder cultivated – auf diese drei Herstellungsarten verteilen sich die Produkte der Anbieter und Verarbeiter alternativer Proteine. Erstere beruhen auf unterschiedlichen Rohstoffquellen, die jeweils mit verschiedenen Aufbereitungsarten und Technologien verbunden sind – etwas, das auf der IFFA konkreter erfahrbar wird als in der theoretischen Darstellung. Die zugehörigen Markennamen sind den Verbrauchern meist gar nicht bekannt.
Verfahren wie die Extrusion bei der Aufbereitung von Soja-, Erbsen- oder Lupinenkonzentrat, die Präzisionsfermentation zur Gewinnung von Ei- und Milchproteinen aus Hefe, Pilzen oder Bakterien oder das Herstellen von „real meat“ aus dem Bio-Reaktor (in Europa noch nicht zugelassen, wie auf der IFFA beklagt) werden laufend optimiert, auch auf ihren eigenen Ressourcenverbrauch hin.
Auf einem Panel in der „IFFA Kitchen“ mit dem Titel „Innovation in the Food Industry“ erfuhren wir, wie hoch die Beiträge von Start-ups zu Forschung und Innovation diesbezüglich sind und wie viel Geld in diesem Zukunftsmarkt international eingesetzt wird.
Auf den Geschmack kommt es an

Was essen wir heute? Etwas, wozu dieses leckere Madras-Curry passt …
Den „Ingredients“, Zutaten oder Gewürzmischungen, ist auf der IFFA ein eigener, großer Bereich gewidmet. Da die meisten Fleischersatz-Produkte geschmacksneutral sind, ist deren Aufbereitung durch Pasten, Saucen und Gewürzmischungen essenziell und dies führt zu neuen, variablen Gerichten und Geschmäckern – eine Entwicklung, die sich auch mit dem Fleischkonsum kombinieren lässt.
Ein Booster ist dies auch für den schnell wachsenden Markt der Fertig- und Halbfertigprodukte, die auch für die Gastronomie angeboten werden und dort zu einer Erweiterung des Angebots führen – auch dank innovativer Verpackungen und digitaler Lieferwege. Angeboten werden multifunktionale Meal-Boxen verschiedener geschmacklicher Ausrichtungen mit einer Auswahl an Zutaten und Komponenten, die sich vielseitig kombinieren lassen; Zielgruppe sind Lebensmittelhersteller und -dienstleister, die aus denselben Basiszutaten verschiedene Gerichte kreieren.
Foodtech Now! Die neue Vielfalt beim Ernährungsangebot ist nicht mehr aufzuhalten – und, auch das war auf der IFFA konkret zu erleben und ist eigentlich die gute Nachricht, in der neuen Ernährungswelt finden alle ihren Platz und haben alle ihre Berechtigung –, vom handwerklich getriebenen Qualitätsfleischgewerbe mit den besten Maschinen und Werkzeugen bis zur datengetriebenen Prozessintelligenz bei der Herstellung alternativer Proteine.
* Elisabeth Frenz und Michael Hopp sind Journalisten und Content-Experten sowie seit einigen Monaten Mitarbeiter der Content-Plattform „Foodtech Now!“. Die soeben zu Ende gegangene IFFA 2025 war die erste IFFA, die sie besucht haben. Ihr Eindruck: „Die Branche, die sich auf der IFFA präsentiert, bietet viel mehr, als wir uns durch Recherchen bisher erschließen konnten.“ Nämlich? „Was wir gesehen haben, ist mehr als Fleisch- und Proteinaufbereitung“- kurze Pause: „es ist die Zukunft der Ernährung.“