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Herstellungsanlage

Interview

„Eine natürliche Evolution“

03.06.2025

Die PHW-Gruppe als das größte Unternehmen der Geflügelwirtschaft in Deutschland setzt auch beim Geschäftsfeld der „alternativen Proteinquellen“ auf ihr erfolgreiches vertikales Integrationsmodell.

Lesedauer: 5 Minuten

Dr. Markus Veen
Dr. Markus Veen ist promovierter Biotechnologe und seit Jahren erfolgreich im Ingredients-Bereich tätig. 2023 trat er als Mitgesellschafter und Geschäftsführer in die VTEC Ingredients GmbH ein. Das Unternehmen ist in Engelsberg, Bayern ansässig.

Die 2023 gegründete VTEC Ingredients fokussiert sich auf den Einkauf, die biotechnologische Bearbeitung sowie die Herstellung von Roh- und Hilfsstoffen für die Produktion pflanzenbasierter Wurst-, Fleisch- und Fischersatzprodukte. Eine erste Bilanz zieht Biotechnologe und VTEC-Ingredients-Geschäftsführer Dr. Markus Veen im Interview mit Foodtech Now!

Die Fleischproduktion ist heute 80-mal größer als die der Ersatzprodukte. Viele Unternehmen der Fleischwirtschaft gehen davon aus, dass sich aus dem kleinen Anteil der Markt von morgen entwickeln kann - und partizipieren schon heute am Wachstum des Markts alternativer Proteine. Foodtech Now! bietet Raum, die Entwicklungen von heute und morgen zu begleiten sowie Wissen, Inspiration und Expertise zu bündeln.

Herr Dr. Veen, in der PHW-Gruppe sammelt man seit weit mehr als zehn Jahren Erfahrung mit alternativen Proteinen. Was waren die Milestones in dieser Zeit?

Seit 2013 beschäftigt sich die PHW-Gruppe intensiv mit pflanzlichen Proteinen und brachte 2015 die ersten veganen Produkte auf den Markt. Mit der Gründung des Geschäftsbereichs Alternative Proteinquellen im Jahr 2018 wurde gezielt in den Aufbau eines starken Netzwerks und einer technologischen Infrastruktur investiert – als Ergänzung zum Kerngeschäft Geflügel. Ein weiterer Meilenstein war die Gründung der Tochterfirma VTEC Ingredients im Jahr 2023. Seit 2024 verstärkt sich die PHW-Gruppe mit VTEC Precision Foods, das sich auf die Forschung, Entwicklung und Vermarktung von bio- und verfahrenstechnologischen Lösungen für die Lebensmittel- und Futtermittelindustrie konzentriert. Darüber hinaus setzen wir auf strategische Investments und Partnerschaften, insbesondere im Bereich Cultivated Meat und Biomasse-Fermentation, unter anderem mit SuperMeat, Mosa Meat und Kynda Biotech.


Bei PHW denkt man an Geflügel. Sie haben sich aber nicht vorrangig auf die Herstellung von Geflügelfleisch-Ersatzprodukten konzentriert, sondern mit VTEC Ingredients vielmehr auf die Herstellung von Zutaten, Roh- und Hilfsstoffen für plant-based Fleischersatzprodukte. Warum?

Der Markt für alternative Proteine ist hochdynamisch und vielfältig. VTEC Ingredients ermöglicht uns als Zutatenhersteller, flexibel und gezielt auf Marktanforderungen innerhalb der PHW-Gruppe zu reagieren. Wir orientieren uns im Bereich der alternativen Proteine an den Marktanforderungen und beschränken uns daher nicht auf Geflügelfleischalternativen. Wir arbeiten in einem professionellen Umfeld aus Lieferanten, Technologieanbietern sowie Kunden und beschränken uns ganz bewusst nicht ausschließlich auf die eigene Unternehmensgruppe.


Sie sehen VTEC als eine Schnittstelle zwischen der Erstverarbeitung der Rohstoffe und der Entwicklung der Endprodukte. Können Sie das an einem Beispiel erklären?

Ähnlich wie im Geflügelbereich setzen wir auch bei alternativen Proteinen auf ein integriertes Produktionskonzept. Unser Ziel ist, entlang der gesamten Wertschöpfungskette eine wettbewerbsfähige Infrastruktur aufzubauen. Wir übertragen unser bewährtes vertikales Integrationsmodell aus der Geflügelbranche auf dieses neue Geschäftsfeld. Dabei geht es darum, an entscheidenden Stellen Einfluss auf Qualität, Rohstoffverfügbarkeit und technologische Entwicklungen zu nehmen.


Wie sieht der technologische Aufwand bei der Herstellung der Zutaten aus? Sie nutzen dafür zum Beispiel die Anlagen des Produktionswerks Rovita in Engelsberg.

In diesem Produktionswerk setzen wir modernste Verfahren ein, darunter Fermentation, Nassverarbeitung, Trocknung und Mischtechnologie. Die enge Anbindung an diesen Standort ermöglicht uns, flexibel und effektiv/effizient auf individuelle Kundenwünsche einzugehen. Fermentation ist eine Schlüsseltechnologie, um funktionale Inhaltsstoffe zu gewinnen und neue sensorische Eigenschaften bei Fleischalternativen zu entwickeln. Unsere Aufgabe bei VTEC Ingredients ist, diese Technologien intelligent zu verknüpfen und entlang der gesamten Wertschöpfungskette Synergien zu schaffen.

„Fermentation ist eine Schlüsseltechnologie, um funktionale Inhaltsstoffe zu gewinnen und neue sensorische Eigenschaften bei Fleischalternativen zu entwickeln.“

Wie aufwendig ist die Forschung in diesem Bereich? Wie haben Sie das bei VTEC organisiert?

Die Forschung im Bereich alternativer Proteine ist herausfordernd, da Qualität, Geschmack und Kosten stetig optimiert werden müssen. Der Markt bewegt sich von ersten Produktgenerationen mit Kompromissen hin zu hochwertigen, sensorisch optimierten Alternativen. Unser Kompetenzzentrum für alternative Proteine bei VTEC Ingredients vernetzt uns mit Universitäten und Forschungseinrichtungen. Gleichzeitig entwickeln wir eigene Schlüsseltechnologien, insbesondere im Bereich der Fermentation, die eine zentrale Rolle für die nächste Generation alternativer Proteine spielt. Partnerschaften mit externen Forschungseinrichtungen sind essenziell, jedoch behalten wir strategisch wichtige Technologien und Prozesse im eigenen Haus.


Was sind – neben der Wirtschaftlichkeit – die Ziele Ihrer Arbeit im Hinblick auf das Endprodukt: Geschmack, Textur? Die Inhaltsstoffe? Kein Palmfett, kein Soja, keine Geschmacksverstärker? Wie steht es um den Gehalt von Salz und Fett? Die Konsumenten von heute sind anspruchsvoll und differenziert.

Wir orientieren uns bei der Produktentwicklung stets an den Marktanforderungen. Unser oberstes Ziel ist, Produkte zu entwickeln, die in Bezug auf Geschmack, Textur und Funktionalität mit Fleisch vergleichbar sind. Darüber hinaus achten wir auf ernährungsphysiologische Aspekte, um gesunde und marktfähige Alternativen anzubieten. Dabei sind der Salz- und Fettgehalt wesentliche Parameter, die bei unseren Entwicklungen/Produkten berücksichtigt werden.


Wie würden Sie aus ernährungsphysiologischer Sicht den Unterschied zwischen Fleisch- und Fleischersatzprodukten beschreiben?

Unser Ziel ist, gesunde, geschmacklich überzeugende und marktfähige Produkte zu entwickeln, die sich an etablierten Fleischprodukten orientieren. Der Konsument soll die Möglichkeit haben, auf alternative Proteine umzusteigen, ohne Abstriche bei Qualität, Geschmack oder gesundheitlichen Aspekten machen zu müssen. Diese Herausforderung zu meistern und technologische Lösungen zu entwickeln, die eine echte Alternative ohne Kompromisse ermöglichen, ist eine zentrale Aufgabe unserer Forschungs- und Entwicklungsteams.

„Der Konsument soll die Möglichkeit haben, auf alternative Proteine umzusteigen, ohne Abstriche bei Qualität, Geschmack oder gesundheitlichen Aspekten zu machen.“

Wie sehen Sie die Perspektive für die Kultivierung von Hühnerfleisch? Was oft gegen diese Technologie vorgebracht wird, ist der hohe Energieeinsatz.

Wir sind unter anderem am israelischen Start-up SuperMeat beteiligt, um die Entwicklung dieser Technologie genau zu verfolgen. Es ist noch zu früh, um hierbei endgültige Aussagen zu treffen. Wie bei allen Innovationen wird sich erst durch die Skalierung zeigen, ob Cultivated Meat wirtschaftlich und energieeffizient umsetzbar ist. Grundsätzlich sehen wir großes Potenzial in dieser Technologie, jedoch wird der Weg zu marktreifen Produkten in Europa noch einige technologische und regulatorische Hürden mit sich bringen.


Sollte die Nachfrage nach Ersatzprodukten in nächster Zeit stark anwachsen – wie wäre ihr zu entsprechen? Lassen sich vorhandene Rohstoffe noch 

effizienter verarbeiten? Wo wäre hier anzusetzen?Ein wesentlicher Unterschied zu tierischen Produkten besteht darin, dass pflanzliche Proteine einen höheren Anteil an Kohlenhydraten und Fetten enthalten. Dadurch entstehen bei der Verarbeitung bedeutende Nebenströme wie Stärke und Öle, die nachhaltig verwertet werden müssen. Ein vielversprechender Ansatz ist die Nutzung von Kohlenhydratfraktionen bei der Biomassefermentation, um sie in wertvolle Proteinquellen umzuwandeln. Hybride Technologien werden hierbei eine Schlüsselrolle spielen.


Sehen Sie Ihre Arbeit als Biotechnologe mit dem momentanen Schwerpunkt der Herstellung alternativer Proteinprodukte auch in der Nachhaltigkeitsdimension, d. h. darin, Lösungen für eine klimaverträgliche Proteinversorgung für eine rasch wachsende Weltbevölkerung zu finden?

Nachhaltigkeit ist für uns eine zentrale Motivation. Unser Ziel ist, durch Biotechnologie einen wirtschaftlich sinnvollen Protein-Baukasten zu entwickeln, der Fleisch- und pflanzliche Rohstoffe intelligent kombiniert. Ich sehe diese Entwicklung als natürliche Evolution – eine Weiterentwicklung, die durch moderne Technologien neue Möglichkeiten für eine nachhaltige Ernährung schafft.

„Nachhaltigkeit ist für uns kein Schlagwort, sondern eine zentrale Motivation.“

Was fasziniert Sie am meisten an Ihrer Tätigkeit?

Was mir persönlich an meiner Arbeit besonders viel Freude bereitet, ist die Möglichkeit, tief in wissenschaftliche Prozesse wie die Fermentation einzutauchen – und gleichzeitig ganz konkrete, greifbare Ergebnisse in Form von fertigen, hochwertigen Lebensmitteln zu sehen. Nach vielen Jahren, in denen die Branche vor allem bestehende Produkte optimiert hat, erleben wir derzeit wieder echte Innovation. Dass ich mit meinem Know-how und gemeinsam mit VTEC Ingredients aktiv dazu beitragen kann, neue, zukunftsfähige Lebensmittel zu gestalten, ist für mich sehr erfüllend. Die Kombination aus technologischer Tiefe, kreativem Denken und dem direkten Einfluss auf marktfähige Produkte – genau das macht meine tägliche Arbeit so spannend.

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