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Heimtierhaltung ist ein globales Trendthema, denn die Haustierpopulation hat weltweit einen Höchststand erreicht. Er belegt eindrucksvoll, wie eng die Bindung zwischen Mensch und Tier ist. Vor allem während der Corona-Pandemie stieg die Zahl von Hunden, Katzen, kleinen Nagetieren und Vögeln in den Haushalten stark an. Der Grund: Die tierischen Begleiter boten ihren Besitzern während der Lockdowns emotionale und mentale Unterstützung.
Tiernahrung – ein echter Wachstumsmarkt
Grundsätzlich genießen Menschen das Zusammenleben mit ihren Haustieren und legen großen Wert auf deren Wohlbefinden. Am Tier, das 70 Prozent der Teilnehmer an einer Euromonitor-Studie als Familienmitglied bezeichnen, wird trotz gestiegener Lebenshaltungskosten und gedämpfter Konjunkturaussichten als letztes gespart. Weltweit setzten die Hersteller von Tierbedarf (Nahrung und Zubehörartikel) im vergangenen Jahr rund 183 Milliarden Euro um.

Mit einem prognostizierten Marktvolumen von etwa 85 Milliarden Euro wird in den USA der höchste Umsatz generiert, danach folgen China, Großbritannien und Brasilien. In Deutschland übersprang die Heimtierbranche erstmals die Umsatzschwelle von 7 Milliarden Euro und steht damit im Europa-Vergleich an zweiter Stelle hinter dem Vereinigten Königreich. In Europa lag der Umsatz 2024 allein für Tiernahrung bei 40 Milliarden Euro, die Deutschen gaben im gleichen Zeitraum 4,3 Milliarden Euro aus. Analysten prognostizieren bis 2030 auf dem gesamten Globus weiteres kräftiges Marktwachstum.

Personalisierte und maßgeschneiderte Tierfutter-Optionen
Der früher Hund und Katz' servierte unansehnliche, braune Einheitsbrei aus der Konserve oder die trockenen, braunen Brocken sind heute weitgehend aus den Näpfen verbannt und werden durch "Gourmet-Menüs" ersetzt. Viele Produkte wirken optisch wie menschliche Fertigmahlzeiten, andere werden ganz einfach im Instantbecher mit Wasser aufgegossen. Mit Hundepopcorn, -brezeln oder Hamsterkeksen stimmen Hersteller ihr Angebot auf bei Herrchen und Frauchen beliebte Nahrungsmittel ab. Sie bieten also Mahlzeiten, die den Präferenzen und Idealen der Halter entsprechen. Die Nachfrage nach hochpreisigem Premiumfutter, von dem eine höhere Qualität erwartet wird und das Vitalität und Lebensalter des Heimtiers verlängern soll, ist ungebrochen.

Neben dieser Premiumisierung beeinflussen Vegetarismus und Veganismus als Trendthemen des Humanbereichs die Produktentwicklungen, ebenso wie gesundheitsfördernde und -erhaltende Ergänzungsmittel. Der große Markt an Heimtierfutter und Snacks diversifiziert sich rasant: Die Hersteller liefern personalisierte, maßgeschneiderte und umweltfreundliche Optionen – bei Bedarf auch in Bioqualität. Sie stimmen ihre Rezepturen auf Gewicht, Rasse, Alter, Größe, Aktivität und Vorerkrankungen des jeweiligen Tieres ab. Genutzt wird dabei häufig die Expertise von Tiermedizinern.
Alternative Proteine als Quelle für Tiernahrung
Die grundsätzliche Deckung des Proteinbedarfs der Heimtiere stellte hiesige Futterproduzenten wegen der sinkenden Fleischproduktion auf nur noch 6,9 Millionen Tonnen im Jahr 2023 vor große Herausforderungen. Nach sieben Jahren Rückgang in Folge stieg die Produktion 2024 zwar wieder um 97.200 Tonnen an, dennoch weichen zahlreiche Hersteller auf Insektenproteine aus. Deren Anteil im Heimtierfuttermarkt wird aktuell mit sieben Prozent beziffert. Aber es ist noch reichlich Luft nach oben: Marktexperten rechnen künftig mit jährlich zweistelligen Wachstumsraten – insbesondere da immer mehr Tierhalter Wert auf Nachhaltigkeit legen. Tatsächlich ist die Produktion von Insekten im Vergleich zu der von Schweinen oder Geflügel deutlich umweltfreundlicher. Sie verursacht einen geringeren Ausstoß klimaschädlicher Treibhausgase, benötigt weniger Wasser und Futter, verschmutzt den Boden nicht so stark und beansprucht kaum Platz. Bei der Produktion von einem Kilogramm Insektenprotein entstehen lediglich 14 Kilogramm Treibhausgase, bei der gleichen Menge Rindfleischprotein dagegen bis zu 175. Die Verarbeitung der Insektenlarven ist denkbar einfach: Sie werden vor ihrer Verpuppung getrocknet, zu einem Mehl vermahlen und bilden so die ideale Grundlage für ein hypoallergenes Futter, da sie eine bislang selten verwendete Proteinquelle beispielsweise in Hunde- und Katzenfutter darstellen. Mit einer biologischen Wertigkeit von rund 85 Prozent sind Insektenproteine sehr gut verdaulich. Ein Beispiel: Aus den Larven der Schwarzen Soldatenfliege stellt das französische Biotech-Unternehmen Agronutris verträgliche Proteine und Lipide als Basiskomponenten her. Andere Hersteller experimentieren mit Mehlwürmern oder Seidenraupen. In Deutschland steckt die Produktion mit bisher nur zwei Zuchtbetrieben allerdings noch in den Kinderschuhen.
Des Weiteren schätzen Tierhalter pflanzenbasierte Proteine als gesünder und nachhaltiger ein. Produkte mit einem geringeren Anteil an tierischem Eiweiß kommen daher häufiger in die Näpfe – obwohl Hunde und Katzen naturgemäß Fleischfresser sind. Das gut verdauliche Reisprotein eignet sich beispielsweise für Haustiere mit Allergien oder empfindliche Vierbeiner wie Welpen und betagte Tiere.
Wie fleischlose Eiweiße erfolgreich in die Heimtiernahrung integriert werden, verdeutlicht eine auf der Nürnberger Interzoo 2024, der Weltleitmesse für Heimtierbedarf, gezeigte Innovation. Mit Dr. Clauder's präsentierte ein deutscher Hersteller einen veganen, luftgetrockneten Hundesnack aus kultiviertem Protein, der zur Nachhaltigkeit beitragen und ernährungsphysiologische Vorteile aufweisen soll. Das verarbeitete Eiweiß entsteht gentechnikfrei durch natürliche Fermentation.
Nachhaltigkeitstrends beim Tierfutter

Umweltbewusste Tierhalter vermeiden Produkte mit zu üppiger Umverpackung und achten auf biologisch abbaubare, ressourcenschonende und ethisch möglichst korrekte Lösungen. Zur Disposition stehen etwa nachfüllbare Optionen oder Großeinkaufsinitiativen. Weniger Müll verspricht Hundefutter in flexiblen Kunststoffdärmen. Der Nachteil: Die Därme lassen sich nicht mehr verschließen und der Clip könnte verschluckt werden. Die Firma Handtmann legt jetzt ein neues Konzept vor. Die Würste werden statt mit einer Klammer mit einem Faden abgebunden, wodurch die Sicherheit für die Tiere erhöht und eine handgefertigte Premiumoptik erzielt wird.
Trotzdem gilt: Auch nachhaltige Petfood-Verpackungen sollen eine lange Haltbarkeit garantieren und möglichst kostengünstig sein. Der Maschinenhersteller Multivac realisiert derzeit in Kooperation mit dem Folienproduzenten Südpack eine flexible Verpackungslösung für Nassfutter. Die recyclingfähige Neuentwicklung kommt mit 50 Prozent weniger Material aus, ist leicht zu öffnen, weist keine scharfen Kanten auf und garantiert eine Lagerfähigkeit ihres Inhalts von bis zu zwölf Monaten.
Der Wunsch nach nachhaltigerem Tierfutter schließt die Verwendung regionaler und natürlicher Zutaten sowie einen geringen Verarbeitungsgrad ein. Künstliche Farb-, Geschmacks- und Konservierungsstoffe sollen in der Rezeptur ebenso außen vor bleiben wie Getreide. Dieses kann bei Hunden Verdauungs- und Hautprobleme sowie Juckreiz auslösen. Und auch Stubentigern macht seine vergleichsweise hohe Energiedichte zu schaffen: Sie legen stark an Gewicht zu und reagieren mit Zahn-, Nieren- und Verdauungsproblemen. Ohnehin gelten hierzulande 15 Prozent der Katzen und 19 Prozent der Hunde als übergewichtig. Für sie stehen spezielle Diätprodukte als Haupt- oder Ergänzungsfutter zur Verfügung, die Hüft- und Gelenkerkrankungen vorbeugen oder sie lindern, das Immunsystem ankurbeln und die Verdauung fördern. In Nordamerika sorgt sich ein knappes Viertel der Halter um ihre zu dicken Tiere. Die dortige Tierfutterindustrie stellt daher striktes Gewichtsmanagement in den Mittelpunkt der Rezepturentwicklung und setzt auf protein-, fett- und ballaststoffreiche Komponenten wie Hafer, Quinoa und Chia. Sie regulieren das Sättigungsgefühl und beugen Überfressen vor.
Trocken- oder Nassfutter?
Die meisten Tierhalter bevorzugen industriell vorgefertigtes Nass- und Trockenfutter wegen der einfacheren Anwendung und der längeren Haltbarkeit. Sie haben dabei die Qual der Wahl unter den ständig neuen Produkteinführungen der Tierfutterindustrie: Trockene Varianten werden angereichert mit Rote Bete, Karotten, Erbsen oder Spinat, um die Ernährung ausgewogen zu gestalten. Als Fleischsorten bereichern Huhn, Lamm, Schwein, Innereien sowie Lachs, Hering oder Meeresfrüchte die Rezepturen. Zur Verfügung stehen überdies verschiedene Texturen wie knusprig, zäh, stückig oder weich.
Im Bereich Nassfutter spielen bei Neuheiten gesundheitliche Vorteile eine Rolle: Inhaltsstoffe wie Probiotika, Flohsamenschalen oder Leinsamen unterstützen die Darmfunktion, Formulierungen mit höherem Kalziumgehalt fördern die Knochengesundheit.
Wer es mit seinem Vierbeiner besonders gut meint und dessen Futter lieber selbst zubereitet, stößt allerdings rasch an seine Grenzen. Vollwertig und ausgewogen sind nur Rationen, die exakt auf das Bedürfnis von Hund und Katze abgestimmt sind. Hier helfen bereits Start-ups mit rassebezogenen Kochbüchern oder Rezepten inklusive der frischen Zutaten in einer angelieferten Box analog "HelloFresh" oder "PrepMyMeal". Individuelle Rohfutterrationen, angereichert mit Ölen, getrocknetem Obst, Gemüse, Ergänzungsflocken und Vitaminpräparaten für das sogenannte Barfen (BARF = Biologisch Artgerechtes Rohes Futter), können sich Kunden in den Meat Cornern von Heimtiermärkten selbst zusammenstellen.
Tiergesundheit und Wellness
Treiber bei der Markteinführung neuer Hundefuttermittel sind Erzeugnisse, die sich auf die Zahnpflege konzentrieren, Plaque reduzieren, den Atem erfrischen und die allgemeine Mundhygiene verbessern. Auch die Vitalität ihrer Vierbeiner liegt den Haltern am Herzen. Ihnen bietet der Hersteller Dogcs einen mit Hilfe von Ärzten entwickelten Anti-Aging-Komplex mit Leberwurstaroma, der über das gewohnte Futter gestreut wird. Auf der letztjährigen Interzoo wurde der Trend hin zu Lifestyle-Produkten für das Tier unterstrichen. Verschiedene Supplements, Protein- und Kollagenpulver aus Grünlippmuscheln oder Spirulina-Algen werden nun auch im Heimtiersektor nachgefragt.
„Eigene Lebens- und Ernährungskonzepte werden auf das Heimtier übertragen, sei es aus gesundheitlichen Gründen oder aus ethischer Überzeugung. Hundehalter, die auf ihre Ernährung achten oder sich für neue Trends interessieren, sind meist auch beim Futter für ihre Vierbeiner wählerisch.“