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Global Protein Perspectives

Wie Israel zu einem globalen Epizentrum für Fleisch und alternative Proteininnovationen wurde

21.05.2025

Zwischen Grillglut und Gärtank: Israels Küche vereint Gegensätze mit Innovationsgeist. In einem Land, das gleichermaßen Fleisch liebt und pflanzenbasiert denkt, entsteht eine kulinarische Kultur, die Tradition mit Technologie neu definiert.

Lesedauer: 4 Minuten

Eine kulinarische Identität voller Kontraste

Israel ist ein Land der Gegensätze - alt und modern, religiös und säkular, und heute: stolz vegan und zutiefst fleischliebend. Während Tel Aviv weltweit als "Vegane Hauptstadt der Welt" bekannt ist, gehört Israel gleichzeitig zu den Ländern mit dem höchsten Pro-Kopf-Fleischkonsum. In diesem Paradoxon liegt nicht Verwirrung, sondern Innovation. Auf dem israelischen Teller trifft Brisket auf Biomilch, und Steaks nach Wagyu-Art teilen sich den Platz mit 3D-gedrucktem Schawarma.

Eine Nation, in der Gegensätze zusammen gedeihen

Israel ist nicht vom Fleisch zum Veganismus übergegangen – es hat beides angenommen. Während die vegane Kultur in Tel Aviv aufblühte, entstand im ganzen Land eine parallele Fleischbewegung, die durch Bildung, kulinarisches Wissen und gesellschaftliches Engagement angetrieben wurde.

Ein Herzstück dieser Bewegung ist *Carnivores Original*, Israels größte fleischorientierte Community und eine der einflussreichsten der Welt mit über 850.000 aktiven Anhängern. Die 2016 gegründete Community hat die Art und Weise, wie Israelis über Fleisch denken, neu gestaltet. Durch private Kochevents, Metzgerei-Workshops, virale Inhalte und Live-Schneidevorführungen hat sie dazu beigetragen, eine neue Generation von aufgeklärten, bewussten Karnivoren heranzuziehen.

Fleisch ist nicht mehr nur für Freitagnachmittage reserviert – es ist zu einer kulturellen und sozialen Säule geworden, die mehrmals in der Woche gegessen wird. Israelische Verbraucher achten heute auf Herkunft, Marmorierung, Ethik und Geschichte – nicht nur auf Proteine.

Fleischkonsum in Israel – immer noch stark, aber schlauer

Im Durchschnitt verzehren die Israelis jährlich etwa 92 kg Fleisch pro Kopf, wobei Geflügel und Pute mit über 58 kg an der Spitze liegen. Rind- und Lammfleisch sind beliebt, vor allem in traditionellen und arabischen Gemeinschaften.

Während in Europa ein Rückgang des Fleischkonsums zu verzeichnen ist, bleiben die Zahlen in Israel hoch, werden aber zunehmend verfeinert. Es gibt eine klare Verschiebung von "wie viel" zu "welche Art". Nachgefragt werden bevorzugt Marmorierung, Getreidefütterung und Trockenreifung.

Grafik: Fleisch - Umsatz in Israel

Der Wagyu-Traum – und die Wahrheit

Die Nachfrage nach Premium-Fleisch steigt in Israel sprunghaft an, vor allem nach reich marmorierten Teilstücken. Wagyu ist zum Synonym für Prestige geworden. Aber hier ist die Wahrheit: Es gibt kein authentisch japanisches Wagyu in Israel.

Die japanischen Exportgesetze und die komplizierten koscheren Bedingungen verhindern die Einfuhr. Auch australisches und amerikanisches Wagyu hat Israel offiziell nicht erreicht. Was als "Wagyu-Style" verkauft wird, ist in der Regel gut verarbeitetes Angus-Rindfleisch mit starker Marmorierung.

Und das ist völlig in Ordnung. Die israelischen Verbraucher achten heute mehr darauf, wie das Tier aufgezogen wurde, womit es gefüttert wurde und wer es verarbeitet hat, als nur auf den Namen. Authentizität wird heute am Prozess gemessen, nicht an der Herkunft.

Die vegane Welle in Tel Aviv – angetrieben von Werten und Technologie

Etwa 5 % der Israelis bezeichnen sich als Veganer, weitere 8-10 % als Vegetarier. Tel Aviv ist mit über 400 vegan-freundlichen Restaurants führend.

Die Gründe dafür sind vielfältig:

  • Koschere Gesetze, die die Trennung von Fleisch und Milchprodukten fördern, was das Kochen auf pflanzlicher Basis erleichtert.
  • Ethische und ökologische Werte, die bei den jüngeren Generationen Anklang finden.
  • Technologiegetriebene Innovationen, die den Veganismus zu einer High-Tech-Domäne machen – von veganem Schawarma bis zu Mandelkäse.

Die Israelis haben einen flexiblen Lebensstil angenommen. Lamm am Freitag, Tofu am Dienstag. Kein Widerspruch – Ausgewogenheit.

Die Lebensmittelrevolution der Start-up-Nation

In Israel gibt es über 80 Start-ups im Bereich der alternativen Proteine. Einige bemerkenswerte Beispiele:

  • Aleph Farms – kultivierte Steaks, die aus tierischen Zellen gezogen werden.
  • SuperMeat – kultiviertes Hühnerfleisch mit einer Demoküche in Tel Aviv.
  • Redefine Meat – 3D-gedruckte Fleischstücke, die in Europa verkauft werden.
  • Imagindairy, Remilk – tierfreie Milchprodukte durch Präzisionsfermentation.

Zusammen haben diese Unternehmen zwischen 2018 und 2023 mehr als 1 Milliarde US-Dollar eingesammelt, unterstützt durch erhebliche staatliche Zuschüsse und Einrichtungen.

Koschere Einschränkungen – eine Chance im Verborgenen

Alles importierte Fleisch muss in Israel koscher sein, was mehrstufige Kontrollen erfordert, die Kosten in die Höhe treiben und offizielle Einfuhren einschränkt. Dies stärkt jedoch auch das Vertrauen der Verbraucher, die Rückverfolgbarkeit und die Qualitätssicherung.

Die Koscher-Vorschriften waren zwar restriktiv, förderten aber die Innovation von Boutiquen und höhere Standards. Sie erklären auch, warum es fast unmöglich ist, echtes Wagyu zu importieren – stattdessen hat sich eine einzigartige israelische Fleischkultur entwickelt.

Widerstandsfähigkeit in Zeiten der Krise

Der Gaza-Konflikt im Jahr 2024 und das Handelsembargo der Türkei führten zu einer Unterbrechung der israelischen Lebensmittelversorgung. Dennoch kam es zu keinen größeren Engpässen, dank:

  • 75 % Selbstversorgung mit Geflügel
  • Diversen Rindfleischimportquellen, wie Argentinien, USA, Uruguay
  • Neue Kühllagerinfrastruktur mit zusätzlichen 32.000 m²

Diese Herausforderungen haben die Entwicklung lokaler Lösungen, wie kultiviertes Fleisch, urbane Landwirtschaft und dezentralisierte Lieferketten, beschleunigt.

Israel als lebendiges kulinarisches Labor

Israel ist nicht hin- und hergerissen zwischen Veganismus und Fleisch – es gedeiht in beiden Bereichen. Lebensmittelgesetze, Start-up-Energie und kulinarisches Erbe bilden einen globalen Mikrokosmos.

Vom Tomahawk bis zum im Labor gezüchteten Steak definiert dieses kleine Land neu, wie wir essen – mit Achtsamkeit, Neugier und Handwerk.

Ob durch die Flammen des Grills oder das Summen eines Gärtanks – Israels kulinarische Identität entwickelt sich nicht nur weiter. Sie ist führend.

Daniel Belilti

Daniel Belilti

Culinary Consultant | International Meat Specialist

Gründer von *Carnivores Original*, Israels größter fleischorientierter Community und eine der einflussreichsten der Welt mit über 850.000 aktiven Anhängern.

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