Wir müssen uns mit Menschen befassen, nicht nur mit Maschinen
15.10.2025
Eben van Tonder von „Origins Global Meats“ im Interview über die Dynamik der afrikanischen Fleischindustrie – und warum robuste Maschinen und praxisnahe Lösungen entscheidend sind.
Was bietet Ihr Unternehmen „Origins Global Meats“ an?
Wir arbeiten im Auftrag afrikanischer Unternehmen und entwickeln funktionale Lösungen – von Maschinen und Rezepturen bis hin zum Fabrikdesign. Wenn ein Unternehmen eine Fleischfabrik errichten möchte, kommen wir ins Spiel. Wir helfen bei der Standortwahl, planen die Emulgierungs- und Verarbeitungslinien, richten die Anlage ein und unterstützen dabei Personal für die Inbetriebnahme in ganz Afrika zu finden. Kurz: Wir begleiten das gesamte Spektrum und helfen den Betrieben profitabel zu werden. In den meisten Fällen kommt eine Maschine an und niemand weiß zunächst, wie man sie bedient. Wir sind die Experten, die sich dann um alles kümmern. Das größte Projekt, an dem ich seit 2018 beteiligt bin, ist in Nigeria mit einer SPAR-Gruppe. Wir haben sie durch den gesamten Prozess begleitet.
“Afrikanische Kunden wollen robuste Maschinen mit Direktantrieb, die sich einfach reparieren, warten, zusammenbauen und reinigen lassen. Möglichst simpel, mit bezahlbaren Ersatzteilen, die sofort verfügbar sind.”
Inwieweit decken internationale Hersteller mit ihren Produkten bereits die Bedürfnisse und Anforderungen des afrikanischen Marktes ab?
Die traurige Antwort darauf ist, dass es dafür sehr wenig Verständnis gibt. Afrikanische Kunden wollen keine komplexen SPS-Steuerungen – sie wollen robuste Maschinen mit Direktantrieb, die sich einfach reparieren, warten, zusammenbauen und reinigen lassen. Möglichst simpel, mit bezahlbaren Ersatzteilen, die sofort verfügbar sind. Erfolgreich sind in Afrika nur jene Maschinen, die genau so funktionieren.
Dabei muss man verstehen: Afrika ist sehr vielfältig. Südafrika ist ein sehr reifer, anspruchsvoller Markt, vergleichbar mit europäischen Standards. Dort muss man niemandem mehr die Grundlagen einer Räucherkammer erklären.
Und beim Thema Support kommt noch etwas hinzu – und das ist kein Scherz: Eine Anfrage beim europäischen Hersteller kann für einen drei- bis viertägigen Besuch Kosten von 10.000 Euro verursachen. Da frage ich mich: Welcher europäische Kunde würde eine Maschine kaufen, wenn für jede kleine Reparatur 10.000 Euro Anfahrtskosten fällig werden?
In Afrika entsteht eine eigene Wurstindustrie, die Nachfrage nach Produkten wie Mortadella und Schinken wächst rasant. Foto: Rich Townsend
Welche Bedeutung haben Fleischprodukte auf dem afrikanischen Markt?
Afrika ist ein fleischessender Kontinent – Fleisch ist dort das wichtigste Nahrungsmittel. Gleichzeitig braucht Afrika vor allem bezahlbares Protein. Dank seines Preisvorteils ist Fleisch die günstigste und hochwertigste Proteinquelle. Wer Afrika ernähren will, kommt am Thema Fleisch nicht vorbei. Der Kontinent schaut sehr genau auf diesen Markt und derzeit entsteht eine eigene Wurstindustrie. Damit wächst auch die Nachfrage nach bisherigen Nebenprodukten wie Mortadella, Schinken oder Bologna am Markt. Beim Fleisch liegt Huhn klar vorne, gefolgt von Rind und Schwein. Das Wachstum ist enorm, geradezu gigantisch. Jede Branche und jede Technologie, die sich auf die Fleischindustrie ausrichtet, kann von dieser Entwicklung profitieren. Weltweit gibt es nirgends eine höhere Dynamik.
“Im Moment gibt es viele junge Leute, die in die Fleischindustrie einsteigen möchten, aber es mangelt an Ausbildungsmöglichkeiten in Afrika.”
Wie ist die Arbeitskräftesituation für technologieorientierte Lebensmittelhersteller in afrikanischen Ländern?
Wenn wir die Industrie betrachten, spielt die Unterscheidung zwischen ungelernter und gelernter Arbeit kaum eine Rolle – die Ausbildungswege sind einfach andere als in Europa. Selbst Facharbeiter sind nicht direkt vergleichbar, weil die Rahmenbedingungen unterschiedlich sind. Schon bei etwas scheinbar Einfachem wie Reinigungsmethoden zeigt sich: Die Herangehensweisen sind anders. Standards und Selbstverständlichkeiten, die in Europa gelten, sind in Afrika oft verschieden. Ein Video allein reicht daher nicht, um Wissen zu vermitteln. Betrachtet man die Arbeit aus kultureller Perspektive wird klar, dass die Prioritäten anders gesetzt sind, was wiederum zu anderen Ergebnissen führt.
Außerdem zeigt sich: Im Moment gibt es viele junge Leute, die in die Fleischindustrie einsteigen möchten, aber es mangelt an Ausbildungsmöglichkeiten in Afrika. Es gibt zwar Ausbildungsstätten in Europa, die den jungen Afrikanern beibringen könnten, wie man Würste und Ähnliches herstellt, aber wer ist in der Lage dieses Wissen zu vermitteln? Ausbildungsinitiativen in Afrika sehe ich kaum.
In Märkten mit billigen Arbeitskräften werden viele Prozesse immer noch von Hand ausgeführt, was insbesondere bei Lebensmitteln problematisch sein kann. Welche Schritte können unternommen werden, um auf dem afrikanischen Kontinent in Richtung Automatisierung, Digitalisierung und intuitiver Bedienbarkeit zu gelangen?
Der erste Schritt besteht darin zu verstehen, dass Mechanisierung mit der Organisation der Arbeit beginnt. Als Beispiel nenne ich gerne eine Verpackungsanlage aus Cincinnati in den 1850er Jahren. Am Anfang gab es nur ein Brett, einen Tisch und ein Messer – und es dauerte nur 35 Sekunden, um ein Schwein zu entbeinen. Das lag an der Arbeitsorganisation der ungelernten irischen Arbeiter. Als ich das in einem Fachartikel las, war ich wie elektrisiert. Am nächsten Tag, als ich zur Arbeit kam, setzte ich die Prinzipien gleich um. Und innerhalb der nächsten Woche verdoppelte ich die Produktionsleistung des Unternehmens – ohne einen neuen Mitarbeiter. Es geht also in erster Linie um das Denken. Und dann kommen die Maschinen.
Foto: Smederevac
Reicht es, wenn Menschen und Maschinen betriebsbereit sind oder muss die gesamte Anlage entsprechend ausgestattet sein?
Die gesamte Anlage. Wir beginnen mit der Organisation der Arbeitskräfte und der darin eingesetzten Maschinen. Die Fabrik (Menschen, Maschinen, die kombinierte Organisation, der Linienaufbau und die Integration der Abteilungen) muss als vollständige Einheit betrachtet werden. Als integriertes Ganzes. Nicht als lose Sammlung von Einzelteilen. Ich würde heute vieles anders machen in dem Projekt in Nigeria. Man neigt dazu, Dinge zu früh zu tun. Ich hätte zunächst nur ganz wenige Maschinen einbauen sollen und sagen: „Setzen wir uns die Auslastung dieser Maschinen als Ziel.“ Und dann gucken und sagen: „Jetzt lasst uns alle Hindernisse beseitigen, die uns aufhalten, diese Maschinen voll auszulasten.“
Mit Maschinennutzung meine ich die Produktion bestimmter Produkte und ihr Volumen. Und da sehe ich, dass 90 Prozent der Maschinen in der Fabrik, in der ich gerade sitze, gar nicht genutzt werden. Wir verfügen in Afrika über hochentwickelte Maschinen, aber wir können sie gar nicht nutzen.
“Das Problem sind die Ersatzteile – sie sind schlicht zu teuer.”
Warum das?
Das Problem sind die Ersatzteile – sie sind schlicht zu teuer. Braucht man dann noch einen Techniker aus Europa, stellt sich sofort die Frage: Lohnt sich das überhaupt? Allein die Kuriergebühr für ein Teil aus Deutschland liegt bei 250 Euro. Zehn Teile für zehn verschiedene Maschinen kosten also schnell 2.500 Euro.
Extreme Luftfeuchtigkeit, Staub und Korrosion stellen in tropischen Regionen enorme Herausforderungen für das Maschinendesign in Afrika dar. Foto: ruffraido
Gibt es klimatische Faktoren?
Die IP65-Schutzhülle der Maschinen ist für die Luftfeuchtigkeit von 90 Prozent, die wir zum Beispiel in Lagos ständig haben, völlig unzureichend. Die Maschine verschleißt schon, wenn sie einfach nur dasteht. An einem Ort wie Nigeria gibt es zur Luftfeuchtigkeit noch den Staub – Wüstenstaub, der einmal im Jahr aus der Sahara kommt und in alles eindringt. Und nehmen wir an nach ein oder zwei Monaten werden wir das Teil endlich hier haben, dann funktioniert die Maschine aber immer noch nicht, weil in der Zwischenzeit das Teil daneben verrostet ist – und wir sind wieder am Anfang. Es ist also ein ständiger Kampf, und der Grund dafür liegt im Design der Maschine.
Die Maschinen müssen unglaublich robust sein, ganz anders als in Europa …
Wenn in einer Maschine viel Elektronik verbaut ist, eignet sie sich eigentlich nur für europäische Verhältnisse. Elektronik, Steuerungen – hochentwickelte Dinge, die fantastisch sind. Das Problem ist jedoch, dass sie empfindlich sind und sich bei Feuchtigkeit und hoher Staubbelastung abnutzen oder gar nicht funktionieren. In manchen Teilen Nigerias kann man die Tür nur mit Handschuhen öffnen, denn wegen der statischen Elektrizität bekommt man jedes Mal einen Schlag, wenn man etwas Metallisches berührt.
Foto: Hispanolistic
Welche Produktionsschritte, beispielsweise bei der Herstellung von Fleischprodukten, stellen für ungelernte Arbeiter die größten Herausforderungen dar?
Am schwierigsten an der Maschine wird sicherlich die Weiterverarbeitung sein. Ich bin versucht zu sagen, die gesamte Weiterverarbeitung, denn in Europa sind auch die Metzger ausgebildet. Allein die Unterschiede beim Zerlegen von Rindfleisch, beim Entbeinen, um optimale Schnitte zu erhalten. Für den Einzelhandel gibt es da noch weitere Unterschiede, weil der Knochenanteil minimiert werden muss. Wir versuchen, so viel Fleisch wie möglich zu verkaufen. Egal, was jemand gelernt hat. Auch unsere Schulungen müssen auf das gewünschte Ergebnis zugeschnitten sein.
Hersteller weltweit bieten intuitive Bedienbarkeit an. Die Auswirkungen unterscheiden sich jedoch in entwickelten und weniger entwickelten Märkten.
Ich komme noch einmal auf die Andersartigkeit zurück. Der Umgang mit mechanischen Maschinen ist in Afrika oft ein anderer als in Europa – und was hier als „intuitiv“ gilt, ist dort nicht selbstverständlich ebenfalls als intuitiv zu betrachten. Fragt man einen Arbeiter, warum er einen bestimmten Schritt auf eine bestimmte Weise macht, antwortet er manchmal schlicht: „Weil ich es so mache.“ Manchmal besteht auch die Erwartung auf Seiten der Arbeiter, dass sich Probleme mit der Zeit von selbst lösen.
Ein Hersteller hat eine Maschine entwickelt, die man gar nicht falsch zusammenbauen kann. Selbst ohne Erfahrung gibt es nur eine richtige Möglichkeit – und selbst wenn man es versucht, geht nichts kaputt. Genau für solche Maschinen müssen wir uns einsetzen.
Michael Hopp
Autor in der Foodtech Now!-Redaktion, der mit seinen Geschichten zeigen will, dass Tradition und Innovation zusammengehören.